Interview mit Verena
Interview mit Verena, langjährige Betreuerin und Mitglied Assistenzteam
Hanna: Woher kennst du mich?
Verena: Wir haben uns 2019 im Juni kennengelernt durch reinsten Zufall. Derzeit war ich in meinem Studium zur angewandten Pflegewissenschaft und ich brauchte schnell wieder einen Job. Eigentlich kam ich immer aus der Altenpflege. Aber dann kam ein Stellenangebot für die Intensivpflege. Und dort sagte man mir: Da sind Eltern mit einem Kind mit herausforderndem Verhalten und einer schweren Epilepsie. Ob ich Bock hätte und da meinte ich dann so: Ja, Gucken schadet nicht und so habe ich dich hier in W. auf der Bank kennengelernt, mit Tortellini, neben Olli. Genau. So begann alles.
Hanna: Nach der Zeit bei meinen Eltern war noch nicht alles vorbei, sondern du hast mich ja noch weiter begleitet.
Verena: 2019, Dezember sind wir dann gemeinsam ins Landhaus Querum. Ich bin mit übergesiedelt als Fachkraft und dort haben wir dann den Umzug zusammen verarbeitet. Wir haben ganz viele Monate noch miteinander verbracht, haben so einige Lebenssituationen miteinander durchlebt, sowohl von dir als auch von mir. Bis 2021 haben wir miteinander gearbeitet. 2,5 Jahre habe ich dich bis dahin begleitet.
Hanna: Wie war das so für dich?
Verena: Sehr intensiv! Diese Zeit hat mich selber auch manchmal an meine Grenzen gebracht. Aber das würde ich nicht mal negativ finden. Weil: Ich wusste selber dann in dem Moment, was ich möchte oder auch nicht möchte. Und wiederum hast du mich dazu gebracht, auch über meinen Tellerrand zu schauen und nicht nur meine eingefahrene Altenpflege durchzuziehen. Sondern einfach zu sehen: Ein Mensch besteht nicht nur aus Krankheitsbildern und so ‘nem stupiden Tagesablauf, sondern ist einfach viel, viel mehr. So viele Impulse, die einen doch begleitet haben, gerade durch dich. Das hat einen Arbeitsalltag nie verlässlich gemacht, aber das war auch das Spannende dabei. Weil es am Ende immer wieder ein Erlebnis, aber auch eine Herausforderung war. Was mich selber auch privat sehr, sehr geformt hat. Menschen nicht nur nach einer ICD-Nummer zu beurteilen oder nach dem Äußerlichen, sondern auch in den Menschen mal reinzuschauen, was da los ist. Weil: Jegliches Verhalten von dir hat eine Ursache und das zu verstehen fand ich irgendwann ganz, ganz wertvoll. Einfach für meine eigene Entwicklung. Auch, wie ich jetzt selber mit Menschen umgehe, auch in meinem Beruf jetzt als Dozentin, gehe ich da ganz, ganz anders ran. Ich denke, ich habe da eine gewisse Sensibilität für entwickelt und weiß aber auch, dass die Arbeit mit Menschen mit einer geistigen und psychiatrischen Beeinträchtigung sehr, sehr gewinnbringend ist. Es hat einen große Mehrwert für mich gebracht. Ich würde es jedem weiterempfehlen.
Hanna: Was rätst du mir? Was ist wichtig für meinen weiteren Lebensweg?
Verena: Ganz wichtig ist, glaube ich, für dich, dass du deine Freiheit in deinem Sein und deinem Denken brauchst. Die Freiheit in deinem Verhalten aber auch. Das, finde ich, zeichnet dich sehr aus, dass du auch diese Fähigkeit besitzt, auf einen Menschen bewusst zuzugehen, weil du die Sensibilität besitzt, zu merken, wann es deinem Gegenüber schlecht geht. Das hat mir gerade in der Zusammenarbeit mit dir sehr viel zurückgegeben. Auch ich bin mal schlecht gelaunt zum Dienst gekommen und das hast du oft gespürt. Und wenn es dann einfach nur die Umarmung war oder das langsame ‘Ranrutschen und dann die Füße auf die Beine schmeißen … Damit hast du deine Zuneigung ausgedrückt. Oder, wenn du dann tatsächlich mal deine Gummibärchen teilen wolltest. Das wird mir immer in Erinnerung bleiben.
Du brauchst zum Leben aber auch Personen, die dich auffangen, wenn du einen schlechten Tag hast. Dass du nicht verurteilt wirst, das ist das Schlimmste, was man dir antun kann. Aber auch dann das eigenen Denken als verantwortliche Pflegekraft im Griff zu haben. Weil, wie ich schon gesagt habe: Hanna ist mehr als eine Diagnose und Hanna ist auch mehr als eine Tagesform und das darf man in diesem Moment nicht vergessen. Alles passiert aus einem bestimmten Grund. Darum würde ich dir Menschen an deiner Seite wünschen, die das zu schätzen wissen. Aber auch die persönliche Kompetenz besitzen, das einordnen zu können, so dass man nicht mit einem schlechten Gefühl nach Hause geht, oder auch mit einem schlechten Gefühl wiederkommt zum nächsten Dienst.
Da kann man noch so eine tolle berufliche Ausbildung haben: Besitzt man nicht ausreichende emotionale Intelligenz, das einordnen zu können, bringt einem auch die beste Ausbildung nichts. Also das ist, finde ich das Wichtigste. Klar, das kann man lernen, aber das muss man schon besitzen um darauf aufbauen zu können.
Hanna: Wie findest du denn so die Ideen, die das Wohnprojekt betreffen?
Verena: Da bin ich immer noch beeindruckt, also wirklich beeindruckt, ganz, ganz stark beeindruckt von dieser Ambition und diesem starken Willen dahinter, so etwas für dich auf die Beine zu stellen. Einfach mal diesem System entgegen zu fahren und nicht sich dem hinzugeben. Definitiv. Das ist eine ganz, ganz starke Nummer und ich finde, dieses Konzept hat eine sehr gute Basis, auf der man supergut aufbauen und einen Prozess in Bewegung bringen kann und wird. Also nicht nur kann, sondern wird.
Wenn man da weiterhin mit so vielen positiv gestimmten Menschen zusammenarbeitet, die so viel Bock darauf haben und so viel Herzensblut darein stecken, kann man da für dich, aber auch für alle Angehörigen, Freunde und Mitarbeitenden etwas ganz, ganz Tolles daraus stemmen. Sei es auf persönlicher, aber auch beruflicher Ebene.
Hanna: Was ist für da Gelingen besonders wichtig?
Verena: Ich denke, das Ganze kann gut gelingen, wenn man weiterhin offen über alles kommuniziert, wenn man aber auch versucht, therapeutisch auf dich einzugehen, was den Autismus angeht. Ich glaube aber auch, dass es ganz super gelingen kann, wenn man zusammen arbeitet. Also das ist das ganz große Ding dahinter, Transparenz und eine gewisse Fachlichkeit. Das wird super, großartig!
Hanna: Liebe Verena, willkommen (zurück) im Team! Vielen Dank für das Interview!
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Pflege mal anders
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